Textatelier
BLOG vom: 25.04.2022

Kolumnen: Neues aus der Hebelstraße, Folge I/2022

Autor: Wernfried Hübschmann, Lyriker, Essayist, Hausen im Wiesental

 

Der in Hausen im Wiesental, im „Hebeldorf“ (ein Schelm, wer hier an Werkzeug denkt!) wohnende Schriftsteller Wernfried Hübschmann schreibt seit einigen Monaten regelmäßig unregelmäßig Kolumnen für die lokale „Hausener Woche“. Wir bringen hier in losen Abständen einige Kolumnen von 2022.  Die erschienenen Texte ergänzen künftig das nachwachsende Textkraut und seine (Stil)Blüten. Viel Vergnügen!

 

*

The Länd
Über das Ländliche und das Schändliche

Kennen Sie den Ländschaftsmaler Hans Thoma (1839-1924)? Klar. In Bernau, inmitten schönster Schwarzwaldländschaft, ist ihm ein eigenes Musäum gewidmet worden. Ein „Musäum“ gibt es sonst nur noch in München, siehe Karl Valentin. Unterm Dach des südöstlichen Isartorturms. Die Wirtin des darin beheimateten Cafés heißt tatsächlich Bernadette Obergrußberger – it’s a mätter of fäct! Verstähen Sie mich? The Länd – das ist Baden-Württembergs neuer „claim“, also ein Sinn- und Wahl- und Werbespruch, ein Ruf in die Welt. Nur leider ohne Sinn. Dagegen ist das bayrische „Mia san mia“ ja geradezu weltläufig-jovial, jedenfalls konsequent dialektal. The Länd – da stehen nun die Plakatwände im Ländle als Brett vorm Kopf des Markgräfler Ländles. Kann eigentlich nur eine Schnapsidee aus Stuttgart sein. Eine Rache der Haupstadt am Rest der Wält. Eine Art Torsch(l)usspanik, denn der VfB hat ja wieder mal Ladehemmung. Es ist aber auch gemein: die Spätzle stammen aus Italien und die Kährwoche wurde von Napoleon eingeführt. Jedenfalls: Unser Herr Ministerpräsident Kretschmän findet die Länd-Art-Idee „genial“. Hat sich bei dieser Imitsch-Kampagne (Gesundheit!) einfach das „ä“ des Schwäbischen durchgesetzt gegen das nüchterne „a“ in Baden? Ein Albtraum von der Alb? Aus falsch verstandener Nähä zum Volk? Wir reiben uns längst verwundert die Schläfen. Ich versuche, mindestens 30 „Ä“s unterzubringen in dieser Kolumne! Einfach so, aus Protäst! Wer ein wenig Musikalität im Blut hat und etwas Sprachgefühl, also Sensibilität, der täte jetzt zusammenzucken: The Länd! Also der englische Artikel „the“ mit einem phonetisch verquälten „ä“ in Länd. Welcher des Englischen mächtige Sprechär kann sich darauf einen Reim machen? Was bedeuten dem Mann aus Oklahoma und der Frau aus Brisbane die ominösen 2 Pünktchen auf dem „ä“? Wir wissen es nicht. Nein, ich bin kein Fän dieser Denglisch-Variante. Hier wird dem Land ein Bärendienst erwiesen. Schmärz, lass nach! Fährt hier jemand Ländrover? Wäre ganz unerträglich! Haben Sie wenigstens alle „Ä“s gezählt? Nein? Ländlich-schändlich! Ach, es ist schon spät.

 

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